6. Okt. 2020
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Neobanken nach dem Hype: Diese 6 Dinge hätten VCs nach 178 Milliarden Dollar Investment lernen können

Rollercoaster
Zusammenfassung

Full Disclosure: Als Mitgründer und CEO von Payhawk spreche ich täglich mit Investoren, Analysten und Journalisten. Und ich finde es äußerst faszinierend, immer wieder Aussagen zu hören, dass der Markt für Zahlungen bereits von Neobanken gelöst wurde.
Barbod Namini von HV Holtzbrinck Ventures hat bereits angedeutet, dass sich Investoren trotz der massiven Runden um die Neobanken bei Investitionen in Fintech immer wohler fühlen. Hier ist also meine Einschätzung dessen, was Investoren in den letzten 5 Jahren gelernt haben sollen, nachdem sie Milliarden in einer Welt investiert haben, in der man entweder schnell lernt oder untergeht.

Inhaltsverzeichnis

    Ganz offen gesprochen: Als Mitgründer und CEO von Payhawk spreche ich täglich mit Investoren, Analysten und Journalisten. Und ich finde es äußerst faszinierend, immer wieder zu hören, dass der Markt für Zahlungsdienste bereits von Neobanken reguliert wird. Barbod Namini von HV Holtzbrinck Ventures hat bereits angedeutet, dass sich Investoren trotz der umfangreichen Finanzierungen rund um die Neobanken immer sicherer fühlen in FinTechs zu investieren. In einer Welt, in der man entweder schnell lerne oder untergeht, hätten Investoren aus ihren Milliarden-Investitionen in den letzten 5 Jahren noch einiges lernen können. Hier ist meine Meinung dazu.

    Der Preis für den Hype ist für jede aufsteigende Technologie teuer. Für FinTech sind es 178 Milliarden Dollar, um genau zu sein. Laut Crunchbase haben Investoren in den letzten 5 Jahren auf ihrer Suche nach den nächsten FinTech-Unicorns in 17.647 Unternehmen investiert. Und eine der stärksten Bewegungen war der Aufstieg der Neobanken. Ein neuer, digitaler, einfacher, intuitiver und kostenloser Bankdienst, der über eine mobile App seinen Service anbietet, ohne dabei über das verstaubte und traditionelle Bankwesen gehen zu müssen. Heute gibt es mehr als 250 Neobanken, von denen 16 den Status eines Einhorns haben.

    Laut Gartner beginnt jeder neue Markt mit einem „technologischen Auslöser“, der Innovationen in einem Markt ermöglicht: Im Bankwesen passierte dies 2015, als man ein Bankkonto über eine mobile App eröffnen konnte. Danach folgen große Wetten von Venture-Capital Investoren, die den Markt nach oben treiben. **Dieser erreicht seinen Höhepunkt ** mit spektakulären Bewertungen, einer massiven Inflation an Erwartungen, kultigen Slogans und Musterkind-Gründern, die die Welt erobern. Spitzenreiter bei den Neobanken sind Chime in den USA (14,5 Milliarden USD), N26 (3,5 Milliarden USD), Revolut (5,5 Milliarden USD) und Monzo (1,6 Milliarden USD) in Europa sowie die Nubank (10 Milliarden USD) in Südamerika. Nachdem der erste Hype seinen Höhepunkt erreicht hat, realisiert der Markt, dass es auch einen Tag nach Morgen geben wird. Der Hype sinkt in einem Graben hinab, von dem aus er langsam einen Hang der Erleuchtung hinaufklettert, bis er ein Plateau der Produktivität erreicht. Die Phase, in der die realistischsten Innovationen die Masse erreichen und die etablierten Akteure anfangen, ihr Geschäft aufzugeben. Wir sind gerade erst beim Hinaufklettern. Es bleibt gespannt, was die Phase der Produktivität in den nächsten 5 Jahren für uns bereithält.

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    Neobanken sind immer noch Reisebanken und weit entfernt vom primären Gehaltszielort

    Sind Neobanken die neuen Reisebanken? Der Digital Banking Tracker  von Accenture fand heraus, dass das durchschnittliche Einlagenbestand bei den in Großbritannien tätigen Neobanken in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 bei € 260 pro Kunde lag, ein Rückgang von € 350 in den ersten 6 Monaten des Jahres 2019. Das zeigt deutlich, dass Neobanken immer noch nicht der primäre Zielort für Monatsgehälter sind, sondern eher als ergänzendes Werkzeug eingesetzt werden. Die  Verbreitung der Neobanken auf dem europäischen Markt bewegt sich immer noch in einer Nische, mit 3% in Großbritannien, 2% in Spanien und 4% in den Niederlanden.

    Obwohl es eine EU-Verordnung ist, dass Ausländer in jedem EU-Land ein Bankkonto eröffnen können, sind die tatsächlichen Vorgehensweisen und Anforderungen der Banken unterschiedlich. Eine große Welle von „Early Adopters" für Neobanken waren Ausländer, die kein reguläres Bankkonto bei Großbanken eröffnen konnten. Jetzt, wo diese Nische der „Early Adopters" gesättigt ist, begannen Revolut und andere damit  Kapital zu beschaffen, um zu Super-Apps oder Finanzzentren für alles zu werden, was mit Finanzen zu tun hat. Angesichts der Fragmentierung des europäischen Marktes ist es jedoch weniger wahrscheinlich, dass Revolut zum WeChat des europäischen Marktes wird.

    Abonnements werden eine wichtige Einnahmequelle sein, während der Interchange noch Potenzial hat

    Das Hauptgeschäftsmodell der Neobanken besteht darin, am  Interchange zu verdienen: die Gebühren, die von den Systemen (wie Visa oder Mastercard) an die Kartenherausgeber gezahlt werden, um die Kosten für die Abwicklung der Transaktionen zu decken. Und die lukrativsten Interchange-Gebühr sind die Gebühren für grenzüberschreitende Transaktionen, die die Banken erhalten, wenn Sie als Kunde damit im Ausland bezahlen. Ein angenehmer Nebeneffekt von Neobanken ist, dass diese die Spanne der Wechselkurs-Aufschläge, die die Banken normalerweise erheben, deutlich verringern. So locken sie noch mehr Reisende dazu an, ihre Plattform zu nutzen. Die wichtigste Annahme hierbei ist, dass der Betrieb einer Online-Bank signifikant weniger als eine traditionelle Bank kostet und dass die überragende User-Experience langanhaltendes Vertrauen schafft, welches sich nachhaltig monetarisiert.

    Nicht wirklich.

    COVID-19 stellte einen Lackmustest für die Neobanken dar: Grenzüberschreitende Kartentransaktionen  sanken innerhalb weniger Wochen um 44 %, da es vorübergehend keine Reisenenden mehr gab. Das löste bei den meisten Teilnehmern eine Reihe von Rückschlägen aus. Monzo erlebte gerade erst, wie seine Bewertung von 2,6 auf 1,6 Milliarden USD zurückging, und alle Neobanken in Europa verzeichneten Betriebsverluste in dreistelliger Millionenhöhe, wobei Revolut den Mitarbeitern auch vorübergehende Gehaltsverzichtsregelungen auferlegte.

    Darüber hinaus ist das Interchange auf Verbraucherkarten in Europa reguliert und gibt damit eine Obergrenze vor, wie viel die Banken mit dem Interchange verdienen können. Diese beträgt 0,2% bei Debitkarten und 0,3% bei Kreditkarten. Es handelt sich um eine kartellrechtliche Maßnahme der EU, die sicherstellen soll, dass die lukrativen Interchange-Gebühren die Preise für Konsumgüter, die von den Verbrauchern bezahlt werden, nicht in die Höhe treiben.

    Auf der anderen Seite profitieren FinTech, die geschäftliche Debit- oder Kreditkarten ausgeben, nach wie vor von hohen unregulierten Interchange-Gebühren in ganz Europa, die zwischen 0,7% und 1,75% für jede Transaktion liegen. Bei Payhawk mischen wir Interchange und Abonnements, um qualitativ hochwertige Zahlungsdienste und einen erstklassigen Kundensupport anbieten zu können. Sie erhalten das, wofür Sie bezahlen. Es ist keine Überraschung, dass für Kunden, die von Revolut for Business zu Payhawk wechseln, der mangelnde Kundensupport mit der Hauptgrund war. Revolut hat den Kundensupport einfach nicht im Businessplan berücksichtigt. Sie sind einfach davon ausgegangen, dass die Kunden ihn nicht brauchen werden, da alles intuitiv, digital und kostenlos ist. Das mag für Verbraucher funktionieren. Für Unternehmen allerdings ist es nicht so gut, wenn deren Gelder monatelang blockiert sind, ohne dass jemand ans Telefon geht. Uuups.

    Hyper-Spezialisierung wird der Schlüssel zum Erfolg im B2B-Bereich sein

    „Diejenigen, die überleben werden, sind diejenigen, die eine Kernnische haben.“

    Jeroen de Bel, Partner bei Fincog, bringt es treffend auf den Punkt, als er eine neue Welle von FinTech-Unternehmen analysiert, die aus den Fehlern der britischen Mitspieler gelernt haben. Die nächste Generation von FinTech-Akteuren wird in der Lage sein, sich der Rentabilität und einem nachhaltigeren Wachstum zuzuwenden, indem sie konkretere Probleme ins Visier nimmt und löst. Papara ist ein gutes Beispiel für ein profitables Unternehmen, das seit dem ersten Jahr 4,4 Millionen Kunden in der Türkei zählt und gleichzeitig kostengünstige Überweisungen und Zahlungen für KMU und Einzelhandelskunden anbietet.

    In einer Welt, die hauptsächlich von Bargeld angetrieben wird, haben Unternehmen immer noch mit einem endlosen Kampf von Papierkram zu tun, wenn es um ihre Ausgaben geht. Der starre Umgang mit Bargeld, Spesenabrechnungen, Papierrechnungen und manueller Dateneingabe muss noch durchbrochen werden. Es handelt sich um ein echtes digitales Transformationsproblem, das darauf wartet, gelöst zu werden. Und genau hier vereint Payhawk Kostenmanagementlösung mit Zahlungsinstrumenten zu einem einzigen effizienten, konformen und automatisierten Prozess.

    $1 für $0,75 Cent zu verkaufen bringt keine Loyalität

    Die neue Normalität beschleunigte die Abwärtsbewegung der Neobanken einschließlich Monzo, dessen Bewertung in knapp einem Jahr von 2,6 auf 1,5 Milliarden Dollar fiel. Revolut verlässt sich weiterhin auf seine Eitelkeitskennzahlen in Bezug auf die eröffneten Konten, während die Kosten von 120 Millionen USD im Jahr 2018 auf 352 Millionen USD im Jahr 2019 in die Höhe schnellten. Und es ist immer noch ein verlustreiches Geschäft.

    Die Vergrößerung des Kundenstamms, die Expansion in neue Märkte und die Zuführung massiven Kapitals kommt für viele junge Unternehmen vor der Suche nach einem nachhaltigen und profitablen Geschäftsmodell. Und während Unternehmen wie Facebook und Google ihr Monetarisierungsmodell nach ihrem anfänglichen Wachstum erschlossen haben, ist die Welt des Zahlungsverkehrs mit so vielen Akteuren und Milliarden im Spiel schwieriger zu dominieren. Was mich zum nächsten Punkt bringt.

    Zusammenarbeit statt Verdrängung von Banken bringt noch mehr Innovation

    Herkömmliche Banken als Buhmann darzustellen hat sich als erfolgreiche Taktik entpuppt, um die Neobanken zu beleben. Aber es gibt eine riesige Chance, das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit traditioneller Banken zu nutzen, um darauf aufbauend innovative Lösungen zu entwickeln. Die überarbeitete Richtlinie Payment Services Direct (PSD2) hat genau dieses Ziel: die Modernisierung der europäischen Zahlungsinfrastruktur zum Nutzen von Verbrauchern und Unternehmen. Sie versetzt Softwarefirmen in die Lage Produkte zu entwickeln, die die Möglichkeiten traditioneller Bankkonten erweitern und schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen für FinTechs. Eine neue Studie der Next Digital Finance (ndgit)-Umfrage ergab, dass 81% der globalen Banken von der Bereitschaft ihrer Kunden berichten, bankenunabhängige Finanzdienstleister zu nutzen.

    Und das ist der Hauptgrund, warum wir Payhawk nicht als Neobank positionieren, sondern als eine Firmenkarte der nächsten Generation, die direkt über traditionelle Bankkonten funktioniert. So können Ihre Finanzteams jede Zahlung in Echtzeit kontrollieren und personalisierte Kartenrichtlinien umsetzen, ohne Ihr Firmenkapital zu gefährden.

    Auf dem Markt gibt es immer noch was zu holen, aber das Vertrauen muss geschützt werden

    Wie Barbod Namini, Partner bei HV Holtzbrinck Ventures, erklärt: *„Vor zwei Jahren hatte jeder Investor zu viel Angst, sich gegen die Revoluts und Monzos zu stellen. Eine 10-Millionen-Dollar-Runde zu machen, während sie 100 Millionen Dollar aufbrachten, war ein großes Risiko. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Investoren sagen: Okay, wir haben den Zug vielleicht verpasst, aber es wird wahrscheinlich eine Reihe von Milliarden-Dollar-Banken pro Land geben.“ *

    Die Produktivitätsphase der FinTech-Welt hat gerade erst begonnen und es gibt eine neue Welle an FinTechs, die auf Nachhaltigkeit bedacht sind. Ich hoffe nur, dass die Stars von heute sich nicht zu Sternschnuppen verwandeln. Denn beim Bankgeschäft und im Umgang mit Geld geht es um Vertrauen. Zumal eine weitere WeWork-Geschichte im Bankensektor die Innovation bremsen und die Verbraucher für eine wirklich lange Zeit verschrecken könnte.

    Hristo Borisov - Geschäftsführer von Payhawk, einer Lösung zur Verwaltung von Unternehmensausgaben.
    Hristo Borisov
    Chief Executive Officer
    LinkedIn

    Hristo ist der Kompass, der die Reise von Payhawk leitet. Mit einem Hintergrund in Ingenieurwissenschaften und Produktmanagement ist er ein engagierter Verfechter unserer Produkte und Kunden. Außerhalb des Büros kann man ihn beim Camping und Segeln, beim Snowboarden auf den Pisten oder einfach beim Genießen kostbarer Momente mit seiner Familie antreffen.

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